Holzgewinnung und Besiedlung der Landschaft
Die vor kurzem in der Umgebung von Mader (Modrava) entdeckten archäologischen Funde bestätigen, dass der Böhmerwald durch den Menschen bereits in der jüngeren Steinzeit, also mehr als 6 000 Jahre vor Christi, besiedelt wurde. Die Archäologen meinen, dass es keine ständige Besiedlung war, sondern eine Siedlung der Jäger und Sammler, indem Menschen hierher kamen, um Waldfrüchte zu sammeln und Fische zu angeln.
Die ersten nachweislich ständigen Bewohner des Böhmerwaldes waren die Kelten. Trotz einer mangelhaften archäologischen Erkundung wissen wir, dass die Kelten in den Böhmerwald im ersten Jahrtausend vor Christi kamen und hier mehr als eintausend Jahre lang lebten. Inwiefern die Kelten Natur und Landschaft des Böhmerwaldes gestaltet haben, werden wir vermutlich nicht erfahren. Weil aber das Holz ein für das Alltagsleben unentbehrlicher und unersetzbarer Rohstoff war, war auch das Holzfällen ein untrennbarer Bestandteil des Lebens der Kelten.
Eine systematische Besiedlung des Böhmerwaldes stellte sich erst im 10. Jahrhundert zusammen mit dem Einzug der Slawen ein. Diese besiedelten aber nur das Vorland, die Gebirgslagen wurden von ihnen wegen der ungünstigen natürlichen und klimatischen Bedingungen gemieden. Wer aber damals in den Böhmerwald durchdrang, waren die Goldgräber. Entlang der Böhmerwälder Bäche und Flüsse erhielten sich bis heute Überreste von Seifen, die hier die Goldgräber nach Seifen von Gold hinterließen. Die höchstgelegene Goldseife in Böhmen befindet sich am Rachelbach (auch Großer Müllerbach, tsch. Roklanský potok). Es sind Überreste, die hier italienische Goldgräber hinterließen, die im 10. Jahrhundert nach Christi hierher aus Bayern gelangten. Ihre Behausungen waren aus Holz, egal zu welcher Zeit der Besiedlung sie entstanden. Ein unentbehrlicher Bestandteil der Ausrüstung eines Goldgräbers war auch das Holzfällerwerkzeug.
Auf die Besiedlung des Böhmerwaldes wirkten sich auch Handelswege und Handelsstraßen aus, die seit jeher hindurch führten. Funde von gespalteten Steinwerkzeugen aus der jüngeren Steinzeit bei Mader deuten darauf hin, dass die Wege hier bereits im Neolithikum existierten. Diese Werkzeuge wurden aus Quarz hergestellt, der nur tief im heute bayerischen Inland vorkommt. Vereinzelte Funde belegen, dass auch die Kelten Wege aufrecht hielten, die über den Grenzkamm des Böhmerwaldes führten. Aber auch sie hatten kein Interesse an einer dauerhaften Besiedlung der oberen Teile des Böhmerwaldes, die sich in Folge einer allmählichen Abkühlung des Klimas in eine sehr raue Landschaft verwandelten. Zur Entwicklung der durch das zentrale Gebiet des Böhmerwaldes führenden Handelswege und Handelsstraßen kam es erst im Mittelalter. Obwohl die Existenz der Handelsstraßen keine flächendeckende Besiedlung der Höhenlagen des Böhmerwaldes nach sich zog, war für den Bau und die Instandhaltung dieser Wege und Straßen eine Abholzung der schwer zugänglichen Wälder erforderlich.
Die oberen Teile des Böhmerwaldes wurden im 16. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Entwicklung der Glasproduktion besiedelt, die hier in Folge von ausreichenden Vorräten an Quarz und Holz ideale Voraussetzungen fand. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Glasproduktion steht auch die Entwicklung der Holzwirtschaft. So, wie der Bedarf an Brennstoff für die Glasöfen zunahm, so nahm auch der Holzeinschlag in den Wäldern des Böhmerwaldes zu. Eine Glashütte verbrauchte jedes Jahr 1 500 m3 Hartholz, insbesondere Buchenholz. Umgerechnet auf die Waldfläche ist es eine Fläche von etwa fünf Hektar. Die Holzhauer waren somit ein unentbehrlicher Bestandteil der Glasproduktion. An jeder Glashütte standen somit einige Holzhackerhäuser. Die größte Entwicklung erlebte aber die Holzwirtschaft zur Wende des 18. und 19. Jahrhunderts, in der Zeit des Rückganges der Glasproduktion. Diese wurde bald vom böhmerwälder Vorland bis in die oberen Lagen des Böhmerwaldes durch die sich rasch entwickelte Holzverarbeitung ersetzt. Die neu gebauten Sägewerke, Papiermühlen und die zunehmende häusliche Holzproduktion verursachten einen plötzlichen Anstieg der Nachfrage nach Holz.
Die fortschreitende Besiedlung, die Industrialisierung der Glasproduktion und landwirtschaftliche Urbarmachung führten zu einem riesigen Holzeinschlag und Rodung ausgedehnter Waldflächen. Das alles begleitet durch einen unkontrollierten Holzeinschlag und Weide von großen Viehherden, die in die Wälder getrieben wurden, gleich nachdem der letzte Schnee dahinschmolz. Geweidet wurde in den Wäldern bis zum Neuschnee.
Dies veränderte sich im westlichen Teil des Böhmerwaldes erst mit einer aufgeklärten Wirtschaft, die Fürst Joseph II. von Schwarzenberg, der neue Eigentümer der Stubenbacher Herrschaft, hier nach 1799 einführte.
Die Stubenbacher Herrschaft war zwar durch ausgedehnte Wälder mit einem hohen Holzvorrat geprägt, in den tiefen Böhmerwald führten aber fast keine Wege, und die Fließgewässer waren wegen ihrer Ungestümtheit, Stromschnellen und steinigen Flussbetten nicht schiffbar. Gleich nach dem Erwerb der Stubenbacher Herrschaft stimmte also der neue Eigentümer dem Vorschlag des fürstlichen Ingenieurs Joseph Rosenauer zu, einen Schwemmkanal zu bauen, in dem das Holz aus der Tiefe der Wälder bis nach Prag geschwemmt werden konnte. Mit dessen Bau wurde im Juni 1799 begonnen. Im Herbst des nächsten Jahres wurde er vollendet. Im darauf folgenden Jahr wurde an dem Kanal mit dem regelmäßigen Holzschwemmen begonnen. Der Holzeinschlag, das Holzrücken (Holzbringung) sowie das Holzschwemmen erforderten den Einsatz vieler Arbeiter und Waldpersonals. Mit der Zunahme des Holzeinschlags geht so die historisch stärkste Besiedlung der Gebirgsgebiete des Böhmerwaldes einher, die zur Wende des 18. und 19. Jahrhunderts praktisch abgeschlossen war. Im Böhmerwald begann das zweihundert Jahre lang andauernde goldene Zeitalter der Holzwirtschaft.