Geschichte der Erzeugung von Kinderspielzeug im Böhmerwald

Der berühmteste Spielzeughersteller im Böhmerwald war der Zimmerermeister Franz Watzlawick, der 1878 bei Unterreichenstein eine kleine Holzwerkstatt erwarb, die er zur Fabrik Bohemia Werke ausbaute. Anfangs wurden hier nur Speichenräder und Kinderwagen, später auch Leiterwagen hergestellt. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Betrieb auch Werkstätten in Wien, in denen die aus der Fabrik in Bergreichenstein gelieferten Kinderwagenteile zusammengebaut wurden. In der Zwischenkriegszeit wurden in der Fabrik Kinderwagen, Puppenwagen, Dreiräder, Roller, Kinderautos, hölzerne Spielzeuge zum Schaukeln und Sitzen, Kinderschlitten, Skier und Kindermöbel hergestellt. Die Erzeugnisse wurden in dem gesamten Gebiet von Böhmen verkauft. Große Aufmerksamkeit galt der Werbung. Zwischen 1930 – 1931 wurde ein umfangreicher Katalog mit Erzeugnissen der Bohemia Werke durch den berühmten Fotografen Josef Seidel aus Krumau (Èeský Krumlov) angefertigt. Die Kataloge und Preisblätter wurden in deutscher sowie tschechischer Sprache verfasst.

Nach 1930 beschäftigte die Fabrik etwa 250 Angestellte und war somit der größte Industriebetrieb in Bergreichenstein und Umgebung. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann ein Niedergang der Werke, bis sie mit der Zeit untergegangen sind. In Betrieb blieb nur das Sägewerk. Nach 1989 verwandelte sich eine der berühmtesten Böhmerwälder Fabriken in Ruinen. Die berühmte Tradition erlosch.

Ein weiterer Böhmerwälder Produzent war Bohuslav Urbánek aus Chumo bei Hartmanitz (Chlum u Hartmanic), der 1919 ein Unternehmen gründete, das er später „Døevoprùmysl Bohuslav Urbánek, Hartmanice Chlum, Šumava“ (Holzindustrie Bohuslav Urbánek, Harmatniz, Chumo, Böhmerwald) benannte. Neben anderem Sortiment wurden in der Fabrik auch gedrehte hölzerne Figuren erzeugt, die dank einer besonderen selbstfahrenden Konstruktion auch auf einer schiefen Ebene schreiten konnten. Zwischen den Jahren 1923 bis 1925 stieg das Interesse an diesem Spielzeug dermaßen an, dass es bis nach England und Amerika exportiert wurden. Damals begann das Unternehmen, die Schutzmarke „TRADE MARK URB“ anzuwenden. In der größten Blütezeit beschäftige das Unternehmen mehr als 300 Beschäftigte. Täglich wurden hier bis 10 000 dieser Figuren erzeugt. Die Fabrik ist im Jahre 1948 untergegangen.